"Die Ursprünge des Schwelmer Schulwesens liegen ziemlich
im Dunkeln. Urkundlich gesichert ist aber, daß im Jahr 1440 ein
„scholemester“ in Schwelm wirkte. Ein Schulgebäude, das nördlich der
heutigen Christuskirche stand, ist für die Zeit um 1620 erwähnt. Gegen
Ende des 17. Jahrhunderts bestanden bereits in lutherischer Trägerschaft
eine Lateinschule, die Vorläuferin des jetzigen Märkischen Gymnasiums,
sowie die beiden „deutschen“ Schulen der lutherischen und der
reformierten Kirchengemeinde."
Die Anfänge (1682–1722)
Im Jahr 1682 wurden im Zusammenhang mit der Wiederbegründung der
katholischen Gemeinde auch die Weichen zur Errichtung einer katholischen
(Elementar-)Schule gestellt.
Damals hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg – als
Spätfolge des mit dem katholischen Herzog Philipp Wilhelm von
Jülich-Berg abgeschlossenen Religionsvergleichs – den Schwelmer
Katholiken die Genehmigung zum Bau von Kirche, Pastorat und Schule
erteilt und ihnen sogar 1000 Taler als Baukostenzuschuß geschenkt.
Bald fand sich ein geeignetes Grundstück: Die Gemeinde erwarb für
364 Taler von Bürgermeister Hildebrand Lackmann ein sechs Sechzig (=
1794 Quadratmeter)umfassendes Areal mit Gemüse- und Baumgarten. Es
lag nordöstlich der heutigen Kreuzung von Bahnhof- und
Untermauerstraße, also außerhalb der Stadtmauer in der Nähe des
Grütertors. Dabei traf es sich günstig, daß auf ihm schon zwei
Häuser standen, die als Schule bzw. als Pastorat genutzt werden
konnten. Dementsprechend richtete man zeitgleich mit dem Bau der
Kirche, deren Grundsteinlegung am 21.6.1684 erfolgte, das südlich
von ihr gelegene Gebäude für schulische Zwecke ein: Es wurde ein
Unterrichtsraum geschaffen; zudem entstand eine Dienstwohnung für
den Lehrer, der im übrigen auch die Aufgaben des Küsters und
Organisten wahrzunehmen hatte.
Am Anfang handelte es sich also um eine einklassige Schule, deren
Schülerzahl gering war. Letzteres ergibt sich daraus, daß um 1670 im
ganzen Kirchspiel nur etwa 200 Katholiken lebten und es im Jahr 1722
bei 1043 Einwohnern im Schwelm nur acht römisch-katholische Familien
gab. Diese wenigen, großenteils in ärmlichen Verhältnissen
existierenden Katholiken mußten nun sowohl das Grundgehalt für den
Lehrer wie auch die Kosten für Ausstattung und Gebäudeunterhaltung
aufbringen. Da somit nur geringe Beträge einkamen, waren die Folgen
verheerend: Der Lehrer war gezwungen, sich nach einem Nebenerwerb
umzusehen, und er konnte sich daher, wenn er sich nicht gar nach
kurzer Zeit um eine besser bezahlte Stelle umsah, nur mit
verminderter Intensität um seine eigentliche Aufgabe kümmern. Zudem
gerieten die Einrichtung des Unterrichtsraumes wie auch das Gebäude
selbst in einen erbärmlichen Zustand.
Ein Raub der Flammen (1722–1775)
Zu allem Überfluß traf die Gemeinde in dieser an sich schon
mißlichen Situation ein schlimmes Unglück: Am Sonntag, dem 18.
Oktober 1722, kam es in Schwelm während des nachmittäglichen
Gottesdienstes, wohl durch Fahrlässigkeit verursacht, zu einer
verheerenden Feuersbrunst. Dabei wurden innerhalb weniger Stunden
vor allem im Westen der Stadt fast einhundert Wohnhäuser zerstört.
Das Feuer griff später auch auf Wohnbereiche außerhalb der
Stadtmauer über, so daß zunächst die katholische Schule, dann auch
Kirche und Pastorat ein Raub der Flammen wurden. Die katholische
Gemeinde stand vor dem Nichts.
Doch schon kurze Zeit später ging man, mit solidarischer
Unterstützung der verschont gebliebenen Nachbarn und umliegender
Kirchengemeinden sowie ermutigt durch diefür zwei Jahre gewährte
Steuerfreiheit, unverzagt an den Wiederaufbau, der gleichwohl den
Gläubigen ungemein schwer fiel. Aber bereits nach Ablauf eines
Jahres konnte das Pfarrhaus wieder bewohnt und die Kirche, von der
ein Teil des Mauerwerks erhalten geblieben war, zu gottesdientlichen
Zwecken genutzt werden. Für das völlig eingeäscherte Schulhaus waren
jedoch keine Geldmittel mehr vorhanden.
So blieb nicht anderes übrig, als daß die Schulkinder zunächst für
einige Zeit im Pastorat vom Pfarrer unterrichtet wurden.
Für die Wiederrrichtung des Schulgebäudes an der alten Stelle fand
man alsbald einen besonderen Weg: Man vereinbarte mit Simon Wylich,
einem begüterten Gemeindemitglied, daß er den Bau und dessen
Finanzierung in Eigenregie übernahm. Allerdings war daran die
Bedingung geknüpft, daß die Gemeinde später, wenn sie wieder über
entsprechende Mittel verfügte, das Haus einlösen könnte. Dies war
dann unerwartet früh der Fall, als sie nämlich im Jahr 1740 aufgrund
des Testamentes eines Fräulein von Aschenberg 600 Taler erhielt.
Von den damaligen Lehrern läßt sich nur wenig sagen: Im Jahr 1738
wirkte Gregorius Linde an der Schule. Vier Jahre später kam Johann
Friedrich Neuhaus aus der Gegend von Breckerfeld, der Deutsch und
Latein unterrichtete; er blieb bis 1752, als er das Amt eines
kaiserlich-königlichen Notarius antrat.
Für die folgenden Jahre bietet die Pfarrchronik nur die lapidare
Feststellung: „Von 1752 – 75 wurde der Unterricht teils vom zeitigen
kath. Geistlichen gegeben, teils ging die kath. Jugend in andere
Schulen.“ Mit letzteren sind die umliegenden lutherischen
(Elementar-)Landschulen gemeint: Die katholischen Eltern waren wegen
ihrer schwierigen Lebensumstände, vor allem in der Zeit des
Siebenjährigen Krieges (1756–1763) mit Hungersnöten und
Einquartierungen fremder Truppen, auf möglichst kurze Schulwege
ihrer Kinder bedacht.
Im Spiegel von Fragebögen (1788 und 1798)
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam Bewegung in das preußische
Schulwesen. Zwar war bereits am 28.9.1717 durch ein Edikt die
allgemeine Schulpflicht vom fünften bis zum zwölften Lebensjahr
eingeführt worden, allerdings mit der Einschränkung, daß sie nur „an
denen Orten, wo Schulen seyen“, gelten solle. Ernsthafte Schritte
wurden aber erst unter König Friedrich Wilhelm II. (1786–1797)
unternommen: Nicht nur, daß im Jahre 1794 das Preußische Allgemeine
Landrecht (erneut) die Schulpflicht festlegte und mit der Bestimmung
„Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates“ das
gesamte Bildungswesen staatlicher Verfügungsgewalt unterstellte.
Vorher schon war am 22.2.1787 eine eigene oberste, dem König
unterstehende Schulbehörde, das „Ober-Schul-Collegium“, geschaffen
worden; und 1817 schließlich erfolgte die Einsetzung des preußischen
„Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten“.
Das neuerrichtete Ober-Schul-Collegium brachte ziemlich schnell auch
die Verantwortlichen in Schwelm auf Trab: Über die Regierung in
Kleve ließ es dem Bürgermeister Peter Nikolaus Wever (1753–1796)
zwecks detaillierter Bestandsaufnahme des gesamten Schulwesens am
16.2.1788 für jede Schule zwei umfangreiche Fragebögen zustellen.
Selbst aufgefordert, sie „auf das schleunigste [...] binnen 14 Tagen
bey fünf Rthlr. Strafe“ zurückzureichen, gab dieser den Auftrag und
die Drohung („bey 5 Rthlr. Strafe“) an alle vier Schulen der Stadt
weiter und verlangte die Ausfüllung „mit aller Genauig- und
Zuverlässigkeit“ in doppelter Ausfertigung bis zum folgenden
Sonnabend.
Für die heutigen Forscher und Interessierten freilich erweist sich
diese behördliche Initiative als ausgesprochener Glücksfall, können
sie sich doch aus der ausführlichen Beantwortung der vorgegebenen
Fragen ein anschauliches Bild von der damaligen Schulsituation
machen. Für die katholische Schule mußte der „Schulmeister“ Johann
Philipp Schwippert, der hier als Schwiegersohn des genannten Lehrers
Neuhaus von 1776 bis 1796 tätig war, zur Feder greifen. Im folgenden
seien einige seiner Angaben in Kurzform wiedergegeben:
Patron der Schule: „Gemeine“.
Aufsicht: ein zeitlicher Prediger.
Lehrer: 39 Jahre, 13 Berufsjahre, Ausbildung in der „Freyheit“ Burg im
Bergischen sowie in Köln.
Fixiertes Gehalt: „15 Reichsthaler gemein Geld“ aus der Kirchenkasse,
keine Stipendien und Legate.
Zufälliges Einkommen: Schülerzahl nicht mehr als 35; somit dreijähriger
Durchschnitt bei 1 – 1 ½ Stüber pro Woche und Schüler nicht mehr als 30
Rthlr.
Wohnung: mietfrei in einem „ordinairen Haus, welches einer nötigen
Reparation bedarf“.
Nebenämter: Küster- und Organistenamt; für alle drei Ämter die
erwähnten 15 Rthlr. als fixes Gehalt; mit der Küsterei gegebenes
Zusatzeinkommen in der „schwachen Gemeine“ nicht mehr als jährlich 4
Rthlr. 30 Stüber.
Anzahl der Klassen: „Die Schule ist nicht in Klassen eingeteilt.“
Anzahl der Schulzimmer: eines.
Schülerzahl: 35 im Durchschnitt.
Bibliothek, Naturaliensammlung, Instrumente: keine.
Art der Lektionen: Unterricht in Buchstabieren, Lesen, Schreiben,
christliche Lehre, desgl. in Geographie tägl.
Anzahl der Stunden: Morgens von 8 bis 11 und des Nachmittags von 1
bis 4 Uhr ausgenommen des Mittwochs und Sonnabends, an welchen Tagen
nur des Morgens Unterricht ist.
Wochenstundenzahl des Lehrers: 30.
Lehrbücher: ABC-Buch, Katechismus, Evangelienbuch, Bibel oder H.
Schrift, Geographie.
Einschulalter: „Die Kinder werden in ihrem zarten Alter, mithin ohne
Känntnis in die Schule aufgenommen.“
Versetzungen in eine höhere Klasse: entfällt.
Aufmunterungsmittel und Strafen: „Die Kinder werden durch liebreiche
Ermahnung aufgemuntert und nach Art und Beschaffenheit des Alters und
der Fehler gestrafet.“
Weiterhin legte Schwippert auf 2 ½ Seiten die Grundzüge der von ihm
angewandten Methodik dar. Hieraus sei lediglich erwähnt, daß jeweils
am Mittwoch die im Lesen und Schreiben erfahrene Jugend die
gewöhnliche sonntägliche Epistel schreibt; danach „wird eine Stunde
Catechisiret und der Jugend Anleitung gegeben zur Tugend und
Gottseligem Wandel“.
Zehn Jahre später kam es zu einer neuerlichen Fragebogenaktion.
Diesmal forderte am 10.2.1798 die Kriegs- und Domänenkammer in Hamm
von den „niederen Schulen“ genaue Angaben zu ihrer Situation, die
„mit Zuziehung des Herrn Prediger“ gemacht werden sollten. Für die
katholische Schule in Schwelm unterschrieb denn auch „Schmitz,
Praeses Consistorii“.
Zuständig für die Beantwortung der Fragen war jetzt Johann Heinrich
Schwippert (1796–1808), der als Sohn seines erwähnten Vorgängers
inzwischen die Lehrerstelle übernommen hatte. Aus seinen Angaben
erfahren wir (über diejenigen des ersten Fragebogens hinaus) u.a.
Folgendes:
- Er ist 19 Jahre alt und bereits 1 ½ Jahre im Amt.
- Sein aus der Armenkasse bezahltes Gehalt beträgt 12 Rthlr. 30
Stüber plus Schulgeldertrag in Höhe von 25 Rthlr. plus 32 Rthlr.
Emolumenta (= Einnahmen für seine Nebentätigkeit).
- Die Schülerzahl beträgt 20 bis 25.
- „Das Schulhaus hat im unteren Stockwerk eine Stube, eine kleine Kammer
und Küche und in der oberen Etage 2 Kammern und das Schulzimmer.“
Zum gleichen Zeitpunkt hatte auch die Schwelmer französische Schule,
die im Gefolge der damaligen Emigrantenniederlassungen entstanden
war, der Behörde Bericht zu erstatten. Aus ihm ist zu entnehmen:
„Sie gehört zur katholischen Konfession.“
– Der Name des Lehrers ist Louis de Maillet (zusammen mit dem Praeses
Consistorii Schmitz hat er auch unterschrieben).
– Er ist 48 Jahre alt und hat ein Jahr Dienstzeit abgeleistet.
– Er bezieht kein festes Gehalt, an Schulgeld fließen ihm 100 Rthlr.
jährlich zu.
– Es ist kein Schulgebäude vorhanden; das Schulzimmer ist gemietet.
– Die Schülerzahl beträgt 14.
– In französischer Sprache wird morgens von 7 bis 11 und nachmittags von
1 bis 6 Uhr unterrichtet.
– Als Lehrbücher werden benutzt: Grammatik (von Meidinger) sowie ein
„Dictionnaire des deux Nations“(gedruckt zu Straßburg 1789).
Ein Visitationsbericht (1807)
Praktische Maßnahmen zur Verbesserung der dargelegten Situation
ließen indes auf sich warten. Erst ab 1804 erhielt das Gogericht
Schwelm einen staatlichen Schulkommissar, den Gevelsberger Prediger
Ferdinand Hasenclever (1804–1817), der Schulvisitationen vornehmen
und sachdienliche Reformvorschläge machen sollte. So verfaßte er
„Über die recherchirte Schule der Katholischen Gemeine in Schwelm“,
die er am 12.6.1807 „mit Zuziehung des Pastors Gareis und zweier
Glieder des Consistorii, namentlich des Kirchmeisters Schwippert und
des Kirchenrathes Bernh. Pielsticker“ aufgesucht hatte, einen
ausführlichen und höchst aufschlußreichen Bericht. Aus ihm seien
hier in Auswahl einige Festellungen wiedergegeben, die in den
vorhergehenden Fragebögen keine Berücksichtigung fanden:
- Die Ernennung der Lehrer erfolgt dergestalt, „daß das Consistorium
der Gemeine durch Bekanntmachung von der Kanzel ein Subject
praesentirte, und wenn kein Widerspruch erfolgte, demselben den
Beruf ertheilte“.
– Der jetzige Lehrer, der erwähnte Johann Heinrich Schwippert, „ist
nicht geprüft noch von der höheren Behörde bestätigt, übrigens steht
er unter Aufsicht des Pastors und des Consistoriums, wovon der Erste
öfters die Schule besucht. An guten Anlagen für das Schulgeschäft
sowie an manchen nützlichen Kenntnissen fehlt es demselben nicht,
mehr aber an Methode“.
– Zur Erntezeit kommen nur „einige wenige“ Schüler zur Schule.
– „Das Lehrzimmer hat nur 13 Fuß Länge und 12 Fuß Breite und ist
folglich viel zu enge, wozu noch das andere Übel kommt, daß die
hinaufführende Treppe nicht ohne Gefahr von den Kindern erstiegen
werden kann.“
– „Zur Bestreitung der Heitzungskosten wird von jedem Kinde für den
ganzen Winter 15 Stbr. gangb. Geld bezahlt.“
– Zum Schluß seines Berichtes empfahl Hasenclever eine „Combination
der kath. Schule mit den vereinigten Elementen der niederen
Bürgerschule der beiden protestantischen Gemeinden dieser Stadt“.
In der Pfarrchronik finden sich für diese Periode nur die folgenden
knappen Sätze: „1785 wurde ein neues Schulzimmer gebaut, es wurde
aber 1809 gegen ein besseres im Schulhause vertauscht. 1817 wurden
an 150 schulpflichtige kath. Kinder gezählt. Die entfernt wohnenden
besuchten nicht die Schule der Stadt. Diese zählte 80 Kinder.“
In den Jahren 1807/1808, also in der Amtszeit des mehr und mehr zum
Reformer werdenden Schulkommissars Hasenclever, übernahm an Stelle
der Kirchengemeinden die Bürgergemeinde die Obhut über die Schulen.
Die von ihr als Aufsichtsorgan eingesetzte Schulkommission erhöhte
sogleich das Schulgeld der Kinder auf 12 Taler jährlich; dabei wurde
der bisher von den Schülern für den Lehrer mitzubringende Betrag
nunmehr quartalsweise steuermäßig erhoben. Gleichzeitig stieg das
Gehalt der Lehrer auf 150 Taler jährlich.
Von solch einer Gehaltssumme und ihrer regelmäßigen Auszahlung
konnte Lehrer Schwippert jun. nur träumen. Er, der 1808 den
Schuldienst quittiert hatte und Kommunal-Empfänger (=
Steuereinzieher) geworden war, forderte noch am 21.11.1812 mit Hilfe
des „Wilhelm Hummelmann, Hussier, immatriculirt beim Tribunale
erster Instanz zu Hagen“ „die respectiven Vorsteher und Mitglieder
des kath. Kirchenkonsistoriums“ „im Nahmen des Kaÿsers und des
Gesetzes“ auf, ihm das rückständige Gehalt für die Zeit vom 1.1.1798
bis 1.10.1806 in Höhe von jährlich 15 Talern und vom 1.10.1806 bis
1.5.1808 in Höhe von 40 Talern einschließlich der aufgelaufenen
Zinsen „ungesäumt“ auszuzahlen; seine Forderung war bereits von der
„vormaligen Regierung zu Hamm und dem Appellations Hof in
Düsseldorf“ bestätigt worden. Am 25.9.1813 „urgirte“ Schwippert
erneut sein Verlangen…
Auf dem Tiefpunkt (1827–1830)
Einige Jahre später geriet die Schule in eine schlimme Situation, zu
der nicht unwesentlich der neuerliche Stadtbrand beitrug. Am
22.9.1827 brach in einem Haus am Mühlenteich ein Feuer aus, das sich
schnell bis zum Markt ausbreitete. Von da aus griffen die Flammen
auf die katholische Kirche, Pastorat und Schule über. Sie mußten
(wie 41 andere Häuser) niedergerissen werden. An eine
Wiederherstellung war nicht zu denken. So war die folgende Zeit
weitgehend von der Suche nach einem behelfsmäßigen Quartier für die
Schule bestimmt.
Schon
am 1.10.1827 befaßte sich die städtische Schulkommission, der
übrigens seit 1822 „von Amts wegen“ der katholische Pfarrer sowie
ein Gemeindemitglied angehörten, mit dem Problem ihrer
provisorischen Unterbringung. In der Sitzungsniederschrift heißt es:
„Für die kath. Schule hatte man Hoffnung, den Saal im
Röllinghofschen Hause zu erhalten, weshalb Herr Past. Nonne
übernahm, diesen Gegenstand zu verfolgen und casu quo mit D.
Röllinghoff abzuschließen.“1 Doch blieb diese Initiative
offensichtlich erfolglos, denn unter dem 22.10. lesen wir: „Herr
Friedr. Hiernoymus erhält für das Zimmer, welches er bis Mai 1828
der kath. Schule eingeräumt hat, zehn berl. Taler.“2 Und über die
Anschlußunterbringung berichtet Herr de Vivie, der Vertreter der
Gemeinde, „daß er behufs der kath. Schule die Kegelbahn von Herrn
Hieronymus für ein Pachtquantum von zwölf Thalern von Mai bis
Martini 1828 angepachtet habe“. Die nächste Eintragung vom 24.4.1829
besagt, daß man „im Rochol“ 3 ein Local gefunden und für 20 Taler
angepachtet habe.
Naturgemäß kam es angesichts dieser Misere auch zu grundsätzlichen
Überlegungen: Sollte man nicht, auch wenn dies einen ungeheuren
finanziellen Aufwand bedeutete, ein neues größeres Pfarrzentrum
einschließlich Schule auf einem anderen, weitläufigeren Grundstück
errichten? Für diese Lösung gab schließlich nach langem Hin und Her
die stark angewachsene Zahl der Katholiken des Ausschlag: In der
Stadt wohnten um diese Zeit bereits etwa 550 Gläubige,
einschließlich der Landgemeinde waren es über 1200. Man verkaufte
also das alte Kirchengrundstück für 1465 Taler und erwarb in
nordwestlicher Richtung, etwa 100 Meter entfernt und an der heutigen
Bahnhofstraße gelegen, ein bedeutend größeres. Dieses kann – trotz
etlicher in der Folgezeit vorgenommener Zu- und Verkäufe – als
weitgehend deckungsgleich mit dem heutigen Pfarrareal bezeichnet
werden; insgesamt aber dehnte sich das damalige weiter nach Süden
aus. Es kostete, obschon vorher als Schuttabladeplatz genutzt, fast
das Doppelte des alten Geländes, nämlich 2835 Taler.
Als wertvolle Hilfe in der nunmehr eingetretenen angespannten
Finanzsituation erwies sich das Entgegenkommen der lutherischen und
reformierten Gemeinden. Sie erlaubten, daß in ihren Kirchen am
Sonntag jeweils ein katholischer Vormittags- und
Nachmittagsgottesdienst abgehalten wurde. Somit konnten der
Kirchenneubau und die mit ihm verbundene Geldbeschaffung in aller
Ruhe geplant und durchgeführt werden: Die Kirche, deren Kosten mit
14500 Talern veranschlagt worden waren, wurde erst am 5.8.1834
eingeweiht. Hingegen erfolgte die Errichtung von Pastorat und
Schulhaus bereits in den Jahren 1829/30 mit einem Kostenaufwand von
5000 Talern; zu letzteren steuerte der preußische König Friedrich
Wilhelm III. ein „Gnadengeschenk von 500 Thalern“ bei. Das Schulhaus
umfaßte im unteren Stock das Schulzimmer und (als Dienstwohnung für
den Lehrer) zwei Stuben und die Küche sowie im oberen Stock zwei
Wohnzimmer. Es stand an der Stelle, an der sich das heutige Modehaus
„Pia“ an der Bahnhofstraße befindet.
In der so schwierigen Zeit der Heimatlosigkeit der Schule hatte es
weitere Mißhelligkeiten gegeben, die mehr oder weniger mit dem
damaligen Lehrer Lindemann zu tun hatten und schon länger schwelten.
Zwar billigte ihm die Schulkommission auf seine Bitte hin zu seinen
150 Talern Gehalt noch im Jahr 1823 eine Erhöhung von 20 Talern zu,
doch am 18.5.1826 hieß es im Protokoll einer Sitzung: „Dem Herrn
Lindemann wird die nötige Weisung und Ermunterung werden, um den
Amtspflichten mit lebendigem Eifer zu genügen“; und zudem mußte er
fortan ein „Tagebuch über seine Verrichtungen und Geschäfte“ führen.
Weiter hielt man es für erforderlich, den Pfarrer und das
abgeordnete Gemeindemitglied mit einer Spezial-Aufsicht zu betrauen;
sie sollten monatlich eine Visitation vornehmen und sich dabei von
der Pflichterfüllung seitens des Lehrers wie auch von dem Benehmen
der Schüler überzeugen. Am 1.8.1828 ist gar von dem „neuerdings in
die Augen fallenden Verfall der kath. Schule“ die Rede. Wenige
Monate später, am 8.11., findet sich die diplomatische Formulierung:
„Wir dürfen auf keinen Fall das allmälige Auflösen unserer Schule
ruhig ansehen und wünschen deshalb zu wissen, ob die Schuld dem
Lehrer oder den Eltern zugemuthet werden müßte.“
Schließlich endete der Dauerstreit mit einem Paukenschlag: Am
9.5.1830 teilte Lindemann der Schulkommission mit, daß er „unter dem
heutigen Tage seine Schullehrerstelle niederlege“. Zudem erfolgte
diese unzulässige fristlose Kündigung ohne Angabe von Gründen; doch
einem Schreiben der Arnsberger Regierung an die katholischen
Spezial-Inspektoren vom 21.5.1830 ist zu entnehmen, „daß er seiner
bestimmten Erklärung nach zur evangelischen Konfession überzutreten
entschlossen sey“.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Pastor Kemna (1829–1833) schon erklärt,
daß er „die Schule in der Zeit der Vakanz selbst bedienen und für
den nötigen Unterricht sorgen wolle“. Und noch am 13.2.1831 wies er
in einem Brief auf die „früher so tiefgesunkene Schule“ hin.
Zerwürfnis wegen eines Schulraumes
(1833–1836)
Nachfolger Lindemanns wurde der aus Castrop stammende Lehrer
Giesbert Callenberg. Seltsamerweise kam es auch in dessen Amtszeit
immer wieder zu Störungen des Schulfriedens. Da entzog man ihm
zunächst am 31.3.1833 das lukrative Küsteramt; dies geschah kurz
nach dem Amtsantritt des Pfarrers Stoewer (1833–1840). Daraufhin sah
er sich in einem fortdauernden „Mißverhältnis mit dem
Kirchenvorstand“. Ein weiterer Streitpunkt war die Frage des Raumes
für den kirchlichen Religionsunterricht, der in sechs Wochenstunden
vom Pfarrer erteilt wurde. Er fand täglich von 11 bis 12 Uhr statt,
und zwar in der wärmeren Jahreszeit in der Kirche und im Winter im
Schulzimmer. Letzteres hatte sich „in Ermangelung eines besonderen
Catechisationszimmers“ im Laufe der Jahre zu einer Art
Gewohnheitsrecht entwickelt. Gegen diese Praxis zeigte Callenberg
nun im Winterhalbjahr 1834/35 „auffallende Widersetzung“; er bat gar
dieserhalb die Schulkommission um Unterstützung „gegen die
Leidenschaftlichkeit einiger Kirchenvorstands-Individuen“.
Daß das mißliche Verhältnis zwischen Pfarrer und Kirchenvorstand auf
der einen und dem Lehrer auf der andern Seite in der Folgezeit
erhalten blieb, ergibt sich aus etlichen Beschwerdeschreiben, die
Pfarrer Stoewer auch aus anderen Gründen an die Schulkommission
richtete: Callenberg sei „zu übermütig und insolent“; er zeige
„unanständiges beleidigendes Benehmen“; „das störrische
widerspänstige Betragen dieses Mannes nimmt täglich, aber sicher zu
seinem eigenen Unheil zu“. Vor solchem Hintergrund setzt es dann
allerdings in Erstaunen, daß Stoewer gleichwohl Callenberg als
Lehrerpersönlichkeit hoch einschätzte und dies in einem späteren
Gutachten auch schriftlich niederlegte. So erklärte er sich denn
auch in der Sitzung der Schulkommission vom 17.3.1836 mit der
Anstellung Callenbergs grundsätzlich einverstanden.
Posse um eine Anstellung (1835–1839)
Die mit dieser Anstellung verbundenen Auseinandersetzungen aber
entwickelten sich zu einem erinnerungswerten Beispiel behördlicher
Prinzipienreiterei. Ausgangspunkt des Geschehens war Callenbergs im
Jahre 1835 bei der Regierung in Arnsberg gestellter und von der
Schwelmer Schulkommission unterstützter Antrag auf definitive
Anstellung, nachdem er im Jahr 1830 nur eine provisorische Vokation
erhalten hatte. Dabei hatte er zu Beginn seiner Schwelmer
Dienstzeit, wie es in der Pfarrei üblich war, zugleich mit seiner
Lehrertätigkeit auch das Organisten- und Küsteramt übernommen;
während ihm aber das letztere, das einigermaßen einträglich war, wie
dargelegt, im Jahre 1833 vom Kirchenvorstand entzogen worden war,
mußte er den unbezahlten Organistendienst weiterhin leisten.
Die Regierung in Arnsberg machte nun am 23.11.1835 die Anstellung
Callenbergs von der Erfüllung zweier Bedingungen abhängig: a) er
müsse in Zukunft (wieder) die Schüler zum Gottesdienstbesuch zur
Kirche führen, denn nach der erfolgten Wiederherstellung der Kirche
verstehe „es sich von selbst, daß diese gute, für die frühe
religiöse Bildung der Jugend angemessene Sitte wiedereinzuführen“
sei, und b) verlangte die Regierung die „Beibringung eines
Zeugnisses über seine efähigung zur Begleitung des Kirchengesangs
mit der Orgel“. Letztere Forderung aber hieß nach Ansicht der
Schulkommission, von Calleberg „etwas ganz Unmögliches begehren“,
weil ihm ja schon im Zeugnis des Schullehrer-Seminars Büren am
24.3.1830 bescheinigt worden sei, daß er im Klavier- und Orgelspiel
„ganz nerfahren“ sei; außerdem sei er im Jahre 1830 nur als Lehrer
provisorisch eingestellt worden, dem als einzige Bedingung für die
spätere definitive Anstellung lediglich tadellose Amtsführung und
sittlicher Lebenswandel genannt worden sei. Und genau diese hatte
die Kommission bereits in einem Gutachten vom 12.10.1835 als erfüllt
bezeichnet.
In den Mittelpunkt der Meinungsverschiedenheiten zwischen Callenberg
und der Schwelmer Schulkommission einerseits und der Arnsberger
Regierung andererseits war also dessen Organistentätigkeit getreten.
Um so erstaunlicher wirkt in diesem Zusammenhang die unvermittelt
und ohne weitere Erläuterung getroffene Feststellung der Kommission
vom 9.1.1836: „Die Kirche hat übrigens keine Orgel.“ Dazu muß man
wissen: Die Gemeinde verfügte nach der Zerstörung der alten Orgel
durch die Brandkatastrophe von 1827 nicht über die finanziellen
Mittel, eine neue zu erwerben; erst als sie vom Sohn des Herzogs
August Josef de Broglie im Jahre 1847 eine diesbezügliche Spende in
Höhe von 200 Talern erhalten hatte, wurde eine Neuanschaffung
möglich. Callenberg konnte (und mußte) also in den Jahren 1830 bis
1834 in der lutherischen bzw. reformierten Kirche während der
dorthin verlegten Gottesdienste die Orgel spielen. In der Folgezeit
blieb ihm eine eigentliche Organistentätigkeit verwehrt.
Gleichwohl gingen die Auseinandersetzungen weiter; sie schlugen
jetzt sogar Wellen bis zum in Münster residierenden Oberpräsidenten
der Provinz Westfalen, Ludwig Freiherrn von Vincke. Dieser machte
Callenberg am 10.7.1837 auf dessen Eingaben vom 29.3. und 14.6.
deutlich: a) Wie früher sollen auch in Zukunft Lehrer-, Organisten-
und Küsterdienst in einer Hand liegen; b) der Kirchenvorstand wird
demzufolge angewiesen, ihm den Küsterdienst mit entsprechender
Vergütung wieder zu übertragen; c) der Organistendienst ist
unentgeltlich zu leisten. Zehn Tage später zog Arnsberg aus dieser
Maßgabe die entsprechende Folgerung und ordnete (erneut) an:
1) Callenberg soll am 8. August d. J. in Büren seine Qualifikation zum
Organistendienst (in Anwesenheit eines bischöflichen Kommissars)
nachweisen und
2) das diesbezügliche Zeugnis binnen sechs Wochen einreichen.
Vermutlich hat sich Callenberg der geforderten Prüfung nicht
unterzogen, weil er sich ja keine Chancen auf ein erfolgreiches
Abschneiden ausrechnen konnte. Zu schließen ist das jedenfalls aus
dem Vermerk in einem späteren Bericht, den die Schulkommission am
12.9.1839 für die Regierung in Arnsberg erstellte: „Da die
Katholische Gemeinde jetzt, dem Vernehmen nach, einen besonderen
Organisten angeordnet hat, so dürfte seiner [Callenbergs] Anstellung
nichts weiter im Wege stehen.“
Daß dies tatsächlich bald erfolgte, dürfte sich daraus ergeben, daß
Callenberg auch im Jahre 1848 noch an der Schule tätig war.
Erwähnenswert ist noch ein weiterer Satz aus dem letztgenannten
Schreiben: „Küsterdienste sind hier nicht mit dem Lehramt
verbunden.“ Somit ging zu dieser Zeit die seit alters her in der
Pfarrei bestehende Personalunion von Lehrer, Organist und Küster zu
Ende.
Und wer trug die Schuld an diesem so unglücklich verlaufenen
Geschehen? Für Pfarrer Stoewer gab es jedenfalls keinen Zweifel: Am
27.3.1838 war ihm „ganz klar, daß der katholische Kirchenvorstand
von Hoher Königlicher Regierung als Patron der Schulstelle angesehen
wird, derselbe jederzeit den Lehrer gewählt, dessen Vocation
ausgestellt und höheren Orts zur Genehmigung vorgelegt hat“. Bei
Callenbergs Einsetzung jedoch „hat der Kirchenvorstand durchaus
nicht mitgewirkt, weshalb auch die traurigen Wirren entstanden
sind“.
Enger geht’s nicht (1830–1861)
Während
all dieser Jahre bemühte sich Pfarrer Stoewer intensiv um die
Behebung der immer drückender werdenden Schulraumnot. Dabei zielten
seine Anstrengungen in zwei Richtungen: Einerseits ging es ihm,
angetrieben auch durch die eigene leidvolle Erfahrung, um die
Bereitstellung einer besonderen Katechetenstube, und andererseits
beantragte er, „das gegenwärtige Schullokal durch Herbeiziehung des
ursprünglich für die Schule mitbestimmten anstoßenden Zimmers zu
erweitern“. Letzteres bedeutete allerdings eine Verkleinerung der
von Lehrer Callenberg genutzten Dienstwohnung und warf die Frage
einer entsprechenden Entschädigung auf. Bei der Bau-Deputation der
Stadt stieß Stoewer jedoch auf mehr als hinhaltenden Widerstand.
Dabei konnte die von ihm dargelegte Situation schlimmer kaum sein:
„Die Schüler werden in zwei getrennten Klassen des Vor- und
nachmittags unterrichtet, von denen die obere 90, die untere 55
Kinder zählt.“ Dies hieß gleichzeitig, daß – neben der Lösung der
Raumfrage – auch die Anstellung eines zweiten Lehrers erforderlich
war. Verwirklicht wurde beides aber erst nach dem Weggang Stoewers
während der Amtszeit des Pfarrers Padberg (1840–1860). Die
Pfarrchronik berichtet: „1848, d. 21. Jan. wurde Lehrer Caspar
Krüper aus Brunskappel für die Oberklasse gewählt u. im Mai 1848 in
dem Klassenzimmer im alten Pfarrhause in sein Amt eingeführt in
Gegenwart vieler Mitglieder der Schulkommission u. der kath.
Gemeinde und vereidigt. Lehrer Callenberg erhielt die Unterklasse.“
Dieser Minimalerfolg bedeutete jedoch nur eine kurzfristige
Entlastung. Die Einwohnerzahl Schwelms und damit die Zahl der
Katholiken und katholischen Schüler stieg nämlich in den folgenden
Jahren unaufhörlich. So sah sich Bürgermeister August Grothe
(1851–1886) veranlaßt, die Interessenten der Schulgemeinde für den
5.8.1857 zu einer Sitzung einzuladen, in der über die Frage eines
Neubaus für die evangelischen Schulen wie auch über die Anstellung
einer weiteren Lehrkraft und die Bereitstellung zusätzlicher Räume
für die katholische Schule beraten werden sollte.
Indes kam es erst zwei Jahre später zu konkreten Maßnamen: Neben der
Errichtung einer vierklassigen evangelischen Schule an der
Schulstraße wurde der Bau einer zweiklassigen katholischen Schule
mit zwei Lehrerwohnungen im zweiten Stockwerk an der Gasstraße, der
heutigen August-Bendler-Straße, ausgeschrieben. Dabei zeigte sich
bald, daß die für beide Projekte von der Stadt zurückgelegten 6180
Taler bei weitem nicht ausreichten; die späteren Gesamtkosten für
beide Schulen beliefen sich gar auf 18930 Taler. Während die
Einweihung der evangelischen Schule am 3.6.1861 vollzogen werden
konnte, folgte die der katholischen Schule am 7.11.1861, dem
Engelberts-Tag. Nach einem Gottesdienst in der benachbarten Kirche
hielt Bürgermeister Grothe im festlich geschmückten Neubau eine
Ansprache; und der neue Pfarrer Haselhorst (1860–1890) übernahm es,
dem Schulvorstand und allen Helfern für ihren unermüdlichen Einsatz
zu danken.
Überrollt von der Schülerlawine (1876–1895)
Wer nun geglaubt hatte, der Bedarf an Schulraum sei für die
kommenden Jahrzehnte gedeckt, irrte gewaltig. Schon bald war wegen
der weiter gestiegenen Schülerzahl die Bildung neuer Klassen
erforderlich. So entstand die dritte 1876, die vierte wurde 1880
eingerichtet, die fünfte 1881 gebildet. Im Jahre 1880 betrug die
Schülerzahl 380; mithin kamen auf eine Lehrperson 95 Schüler.
Was die Unterbringung der zusätzlichen Klassen betrifft, so wurde z.
B. im Jahre 1876 eine in der Bürgerschule an der Südstraße
unterrichtet; später erfolgten Ausquartierungen in die Schule am
Fronhof (Lohmannsgasse) sowie in ein Privathaus am Neumarkt. 1887
unterrichteten bereits sechs Lehrer mehr als 430 Schüler in sechs
Klassen; von diesen befanden sich drei Mädchenklassen im
Schulgebäude Fronhof, zwei Knabenklassen im eigenen Schulhaus und
eine im Pfarrhaus.
In dieser unhaltbaren Situation für Abhilfe zu sorgen und den
dringend benötigten Schulraum zu beschaffen, oblag neuerdings einer
anderen Instanz. Die Volksschulen wurden nämlich im Jahre 1879 in
reine Kommunal-Anstalten umgewandelt und nach der
Lokal-Schulverordnung vom 10.10. d. J. durch die Städtische
Schul-Deputation verwaltet und beaufsichtigt. Letztere bestand aus
dem Bürgermeister als Vorsitzendem, drei Geistlichen (davon einer
katholisch), neun gewählten Mitgliedern und dem städtischen Rektor.
Dieser war der Leiter des Volksschulwesens in Schwelm und für alle
Schulsysteme der Stadt verantwortlich. Ein Lokal-Schulinspektor
wurde durch Verfügung der Königl. Regierung bestimmt; vom Februar
1888 bis zu seiner Erkrankung im September d. J. übte Dechant
Haselhorst dieses Amt aus. (Vorher war er schon von 1863 bis 1876
durch Regierungsverfügung als Präses der katholischen Schule tätig
gewesen.)
Doch die Situation wurde immer schlimmer, zumal die Kirchengemeinde
für das angemietete (dritte) Schulzimmer im Pfarrhaus unabdingbaren
Eigenbedarf anmeldete. Unter diesen Umständen ist es kaum
nachzuvollziehen, daß die Schul-Deputation am 17.7.1888 verlauten
ließ: Ein Anbau ist noch nicht nötig. Erst am 19.4.1894 fühlte man
sich bemüßigt, 35000 Mark für einen Erweiterungsbau der Schule an
der Gasstraße zu bewilligen: Dem im Jahre 1861 errichteten Altbau
sollten vier neue Klassenräume angegliedert werden. Die feierliche
Einweihung fand am 5.8.1895 unter Beteiligung zahlreicher Mitglieder
von Magistrat, Stadtrat und Schul-Deputation statt.
Das stetige Wachstum der Schule hatte der im Januar 1848 gewählte
Lehrer Caspar Krüper miterlebt und auch -gestaltet. Als er dann im
Oktober 1895 sein 50jähriges Dienstjubiläum feierte, erhielt er bei
dieser Gelegenheit vom Landrat den ihm vom König verliehenen „Adler
der Inhaber des Haus-Ordens von Hohenzollern“; Bürgermeister Dr.
Finck überreichte ihm namens der Stadt eine Ehrengabe von 500 Mark.
Anläßlich seines Eintritts in den Ruhestand 1897 wurde ihm für seine
„verdienstliche Wirksamkeit“ vom König der Kronenorden IV. Klasse
verliehen.
Weitsicht einer Behörde (1895–1933)
Den ersten eigenen Rektor erhielt die Schule in der Person des Peter
Faßbender, der im September 1898 durch Pfarrer Mertesmeyer
(1893–1907) eingeführt wurde und in dieser Funktion bis zum
30.9.1931 tätig war. In dieser Periode verlief die zahlenmäßige
Entwicklung der Schule in immer rasanterem Tempo. Aufgrund des
industriellen Aufschwungs zwischen 1875 und 1915 hatte sich nämlich
die Einwohnerzahl Schwelms und damit auch die Zahl der Katholiken
ungefähr verdoppelt (von etwa 11000 auf ca. 22000). Einige Zahlen
mögen die hierdurch verursachten Auswirkungen auf die Schule
illustrieren: im Jahre 1898 Überschreiten der 500-Schüler-Grenze mit
der Bildung von acht Klassen; 1900: neun Klassen: 1901: zehn
Klassen; 1902: elf Klassen; 1906: zwölf Klassen mit mehr als 600
Schülern; 1908: 13 Klassen; 1911: 14 Klassen mit mehr als 700
Schülern; 1914: 14 Klassen mit mehr als 800 Schülern.
Glücklicherweise wurde 1899 das Schulhaus an der Schulstraße von der
evangelischen Schule geräumt, so daß sich die Gelegenheit bot, hier
(bis zu fünf) Klassenräume zu nutzen; im eigenen Gebäude standen ja
(ab 1895) lediglich sechs Räume zur Verfügung. Offenbar hatte Rektor
Faßbender diesen unaufhaltsamen Zuwachs der Schülerzahl klar
vorausgesehen. So griff er schon am 19.2.1899 zur Feder, nahm eine
nüchterne Situationsanalyse vor und erhob demzufolge die mutige
Forderung nach Abriß des alten, im Jahre 1861 errichteten
zweiklassigen Gebäudes und Anbau eines neuen Flügels mit sechs
Räumen an das 1895 erstellte Gebäude; mithin stünden dann zehn
eigene Klassenzimmer zur Verfügung.
Erstaunlicherweise leistete die Stadt diesmal keinen Widerstand,
wenngleich die Umsetzung des Unternehmens ziemlich schleppend
verlief; und seit dem 20.4.1902 war städtischerseits gar von der
Notwendigkeit eines Schulgebäudes mit zwölf Räumen die Rede (= vier
alte plus acht neue). In diesem Verhandlungsstadium schaltete sich
unvermittelt die Arnsberger Regierung ein: Sie äußerte angesichts
der unaufhörlich steigenden Schülerzahlen ihre Bedenken und schlug
völlig unerwartet vor, man solle doch gleich 14 Klassenräume
schaffen, was am besten in dreigeschossiger Bauweise zu
verwirklichen sei.
Bei solchem Stand der Dinge ließ sich die Schwelmer Schul-Deputation
ihrerseits nicht lumpen: Sie stimmte zu und holte gleichzeitig zum
großen Wurf aus. Dieser sah vor, daß außer den 14 Klassenräumen eine
Reserveklasse, ein Lehrerzimmer, ein Rektorzimmer, ein
Lehrmittelraum und im Dachgeschoß eine Hausmeisterwohnung errichtet
werden sollten.
Die Baumaßnahmen begannen mit der Niederlegung des alten
Gebäudeteils zu Ostern 1903. Und schon am 12.4.1904 konnte im
üblichen festlichen Rahmen die Einweihungsfeier mit
Schlüsselübergabe stattfinden. An Kosten waren entstanden: 63000
Mark für den Hauptbau sowie 19600 Mark für Inneneinrichtung,
Abortgebäude und Schulplatzregulierung (durch Kauf und Tausch von
Grundstücken). Mit Recht konnte die Gemeinde jetzt stolz sein auf
die von der Arnsberger Regierung ausgegangene großzügige Lösung der
so bedrückenden und schon so lange Jahrzehnte andauernden Raumnot
der Schule.
Den Ersten Weltkrieg überstand die Schule den äußeren Bedingungen
entsprechend. Der letzte der Städtischen Verwaltungsberichte, bevor
er für sieben Jahre eingestellt wurde, besagte, daß gleich zu Anfang
vier Lehrkräfte zum Kriegsdienst eingezogen worden seien und daß
Lehrer Brodmann in den ersten Kriegsmonaten für „besondere
Tapferkeit vor dem Feind“ mit em Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden
sei. Nach Ende des Krieges konnte die Schule nach häufiger
Inanspruchnahme der Gastfreundschaft anderer Schulen erstmals selbst
als Gastgeber in Erscheinung treten: Am 16.1.1919 wurde die
vorsorglich eingerichtete Reserveklasse mit Schülern der Volksschule
Kaiserstraße belegt. Dieses Intermezzo war jedoch nur von kurzer
Dauer.
Schon im Jahre 1921 meldete die Schule Eigenbedarf an, als sie mit
der Bildung einer 15. Klasse die höchste Klassenanzahl ihrer
Geschichte erreichte. Bei 732 Schülern war damit die
durchschnittliche Klassenfrequenz auf 49 Schüler gesunken, die bis
dahin günstigste Lehrer-Schüler-Relation. Dieses Verhältnis
verbesserte sich noch im Laufe der folgenden Jahre, bis 1929 eine
Klassenfrequenz von unter 40 Schülern erreicht wurde (13 Klassen mit
514 Schülern).
Im Jahre 1921 trat nach 45jähriger Dienstzeit der Lehrer Ernst
Zimmermann, der seit dem 1.5.1883 an der Schule wirkte, in den
uhestand. Er wurde am 28.3. in einer würdigen Feierstunde
verabschiedet. Er betätigte sich als Vorsitzender einiger Vereine
und genoß weit über die Stadtgrenzen hinaus einen hervorragenden Ruf
als Musiker und Komponist sowie als erfolgreicher Schriftsteller und
Geologe. Seine bedeutende Gesteins- und Fossiliensammlung, die 1924
vom Verein für Heimatkunde erworben wurde, befindet sich heute im
Museum Haus Martfeld. Teile der Sammlung sind in einer
Dauerausstellung in der Martfelder Kapelle zu besichtigen.
Die braunen Machthaber schlagen zu
(1933–1939)
Im
Jahre 1932 wurde der aus Altendorf a. d. Ruhr stammende Alexander
Scholz zum Rektor der Schule ernannt; er sollte bis 1939 im Amt
bleiben. Über sein Wirken findet sich in der Pfarrchronik der knappe
Satz: „In dieser Zeit wurden ca. 40 Lehrpersonen versetzt von der
Schule!“ Das in der Chronik nicht weiter kommentierte Ausrufezeichen
hinter dieser Feststellung eröffnet dem heutigen Betrachter
angesichts der damaligen Kollegiumsstärke von durchschnittlich zwölf
Lehrkräften zwei Deutungsmöglichkeiten: 1) Die ca. 40 Lehrpersonen
(bzw. ein Großteil von ihnen) konnten und wollten es sich nicht
länger zumuten, unter einem so regimetreuen Schulleiter ihren Dienst
zu tun, und suchten deswegen ihrerseits um Versetzung nach; 2) der
Rektor seinerseits nutzte alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel
und setzte auf diese Weise durch, daß ca. 40 ihm aus politischen
Gründen mißliebige Kollegen (bzw. ein Großteil von ihnen) dieserhalb
die Schule verlassen mußten. Welche Deutung auch immer zutreffend
ist: Der berichtete Sachverhalt als solcher ist so unfaßbar, daß er
unglaublich erscheint.
Ins Bild paßt das fatale Geschehen vom 14.5.1935. An diesem Tage
nämlich weilte der Paderborner Weihbischof Dr. Baumann in der
Gemeinde, um 450 Kindern das Sakrament der Firmung zu spenden.
Hierzu heißt es in der Pfarrchronik: „Die Katechese der Lehrer fiel
aus, weil die Lehrpersonen zum ersten mal sich weigerten, dieselbe
zu halten. Auch nahmen sie nicht an der Vorstellung des Hochw. Herrn
Weihbischofs teil.“Auch in diesem Fall läßt der so vorsichtige
Schreiber der Pfarrchronik den heutigen Leser, der mehr über
Hintergrund und Vorgeschichte dieses bemerkenswerten Eklats erfahren
möchte, völlig im Stich.
Der nächste Schlag im Bemühen um innere Aushöhlung der Schule war
überörtlich bedingt: Ab November 1935 wurde der bisher in allen
Klassen übliche kirchliche Religionsunterricht verboten und nur im
3. und 8. Schuljahr noch zugelassen (als Beicht- und
Kommunionsunterricht und Entlassungsunterricht). Für die religiöse
Unterweisung der übrigen Klassen richtete die Gemeinde 1938 mit
„nicht unbeträchtlichen Kosten“ im zweiten Stock des alten
Pfarrhauses einen schönen Raum als Unterrichtszimmer und
Versammlungsraum ein.
Im Jahre 1936 begannen die Auseinandersetzungen um die Auflösung der
katholischen Schule zugunsten der damals so genannten Deutschen
Volksschule. Doch nur 18 Prozent der Eltern der katholischen Schüler
unterschrieben die Zustimmungserklärung für deren Einführung. Eine
weitere Etappe im Kampf gegen die katholische Schule stellte die von
den Gemeinderäten in ihrer Sitzung vom 17.2.1938 beschlossene
Namensänderung dar: Die Schule sollte fortan ausgerechnet
„Alfred-Rosenberg-Schule“ heißen, benannt nach einem führenden
NS-Ideologen, dessen Hauptwerk „Der Mythus des zwanzigsten
Jahrhunderts“ vom Papst indiziert worden war. In der gleichen
Sitzung wurde die Schule Potthoffstraße in „Hans-Schemm-Schule“ und
die Schule am Westfalendamm in „Horst-Wessel-Schule“ umbenannt.
Anschließend berichtete die „Schwelmer Zeitung“, die Schulen hätten
„Namen bedeutender Persönlichkeiten des Deutschen Reiches“ erhalten…
Das Ende ließ indes nicht mehr lange auf sich warten. Zwar galt noch
das die konfessionelle Schule als Regelschule festschreibende
preußische Volksschulunterhaltungsgesetz von 1906, und darauf fußend
war im Artikel 23 des Reichskonkordats von 1933 eine Garantie für
den Bestand der katholischen Schulen ausgesprochen worden. Doch am
11.8.1938 beschloß der Bürgermeister mit einmütiger Zustimmung der
Schulbeiräte „nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen und unter
Sicherstellung des Religionsunterrichts“ die Einführung von
Gemeinschaftsschulen „mit Wirkung vom 1. Oktober 1938“; dieser
Beschluß wurde in der „Schwelmer Zeitung“ vom 13.9. veröffentlicht.
Seitens der Gemeinde wurde daraufhin zwar sofort das Paderborner
Generalvikariat informiert, aber man erwartete (auch aufgrund einer
Versicherung des Rektors und des Schulrats) die Realisierung des
Beschlusses frühestens zum Beginn des neuen Schuljahrs am 1.4.1939
und zuvor noch „eine neue Bekanntmachung mit der Möglichkeit des
Einspruchs“. Die „Schwelmer Zeitung“ vom 9.1.1939 ließ allerdings
keinen Zweifel, daß letzteres nicht vorgesehen sei.
So kam die Protestwelle erst mit Verspätung ins Rollen: Ein Ende
Januar in der Kirche verlesener Hirtenbrief des Erzbischofs (mit
genauen Handlungsanweisungen für das Einlegen von Widersprüchen),
Protestschreiben des Generalvikariats und Elternproteste „in großer
Zahl“ konnten nichts mehr ausrichten, da, wie es ausgerechnet am 1.
April in der „Schwelmer Zeitung“ hieß, „form- und fristgerechte
Einsprüche nicht erfolgt“ seien…
Am 28.3.1939 wurde die nunmehr zwölfklassige katholische Schule
aufgelöst und die Schüler auf die fünf neueingerichteten
Gemeinschaftsschulen der Stadt verteilt (in der Pfarrchronik werden
noch die alten, vor 1938 gebräuchlichen Schulbezeichnungen
verwandt): Zur Schule Potthoffstraße kamen 193 katholische Kinder,
zur Schule Kaiserstraße kamen 121, in der Gasstraße blieben 121, zur
Schule Westfalendamm kamen 87, zur Schule Winterberg 6, und in der
gem. Hilfsschule blieben 13. In der Folgezeit stand der
Religionsunterricht der Schulen zwar auf dem Papier, aber schon ab
1941 durfte er „bis auf weiteres“ nicht mehr erteilt werden. An
seine Stelle traten Seelsorgestunden der Pfarrgeistlichen.
Auferstanden aus Ruinen (1945–1968)
Einige
schlimme Jahre später: Diejenigen, die sich als Totengräber der
katholischen Schule
hatten betätigen wollen, waren selbst von der Bildfläche
verschwunden. Vorher aber hatten sie noch am 3.3.1945 die völlige
Zerbombung des Gebäudes an der Gasstraße erleben müssen, dessen
„Umfunktionierung“ sie so rücksichtslos betrieben hatten.
Nach dem Zusammenbruch im Jahr 1945 konnte der Schulbetrieb nur
allmählich wieder anlaufen. Doch hatten – mit Genehmigung der
Militärregierung – zu Anfang September d. J. im Kreisgebiet immerhin
18 Schulen ihre Tätigkeit wieder aufgenommen. Gleichzeitig begann
der Kampf um die Wiedereinführzung der konfessionellen Schulen, und
zwar im Zusammenwirken der evangelischen und katholischen
Kirchengemeinden. Sie beide organisierten kurzfristig eine
Unterschriftensammlung, wobei sich auf katholischer Seite 95 Prozent
der Erziehungsberechtigten für die Wiederherstellung der
katholischen Schule aussprachen; dieses Ergebnis teilte man dem
Bürgermeister, dem Landrat und dem Regierungspräsidenten mit. Eine
erneute, im April 1946 vorgenommene Abstimmung auf kommunaler Ebene
erbrachte das Ergebnis, daß die Eltern von 514 Kindern die
katholische Schule wünschten (71,5 %); auf evangelischer Seite waren
es 861 Eltern (37 %). Demzufolge einigten sich in einer Besprechung
vom 13.6. der Kreisschulrat, die Schulleiter, Vertreter der Stadt
und der Kirchen auf den 23.8. (Ende der Sommerferien) als
Eröffnungstermin für die konfessionellen Schulen.
Nun aber kam die Politik ins Spiel: Der städtische Schulausschuß
beschloß mehrheitlich in seiner Sitzung vom 19.6., der
Stadtverwaltung vorzuschlagen, die konfessionellen Schulen „aus
technischen Gründen“ erst zu Ostern 1947 einzurichten – mithin ein
Jahr später, als es die Besatzungsbehörde ursprünglich verlangt
hatte. Dies wiederum ließ die Elternausschüsse beider
Kirchengemeinden nicht ruhen, so daß sie bei der Regierung in
Arnsberg Beschwerde einlegten und den Antrag stellten: „Für die
Stadt Schwelm wird mit Wirkung vom 1. Oktober 1946 die
konfessionelle Schule eingerichtet“; Anmeldungen für sie sollten bis
zum 1. September erfolgen. Wie dieser Terminstreit letztlich
ausging, läßt sich nicht mehr feststellen.
In den Jahren nach ihrer Wiederbegründung erhielt die katholische
Schule großen Zulauf, zumal mit dem Anwachsen der städtischen
Einwohnerzahl von 23546 im Jahre 1938 auf 29186 im Jahre 1951
infolge des Zuzugs von Ostvertriebenen und Flüchtlingen der
Prozentsatz der Katholiken beträchtlich gestiegen war: von 21,32 auf
23,11 %. So mußte nach Lage der Dinge die Schule, die ja über kein
eigenes Gebäude verfügte, behelfsmäßig untergebracht werden. Die
Lösung bestand darin, daß man sie auf zwei andere Schulen, nämlich
auf die Westfalendamm- und Potthoffstraßenschule, verteilte.
Im Jahre 1950 z. B. erhielten 544 Kinder in elf Klassen in der
ersteren mit Rektor Christoph und 194 Kinder in drei Klassen in der
letzteren unter der Leitung von Herrn Hicking (bis 1950) und Herrn
Glaeser (ab 1951) eine vorläufige Bleibe. Sie wurden „wöchentlich
abwechselnd vor- und nachmittags mit gekürztem Lehrplan
unterrichtet“.
Dies konnte natürlich kein Dauerzustand sein. Nachdem sich noch am
11.10.1949 Stadtdirektor Schüßler aus finanziellen Erwägungen
eindringlich für den Wiederaufbau der Schule an der alten Stelle
eingesetzt hatte, kam es alsbald seitens der Stadt zu einem
Umdenken: Die katholische Schule sollte – in Konkurrenz zur
gleichzeitig geplanten Errichtung der Nordstadtschule – den ersten
Volksschulneubau im Ennepe-Ruhr-Kreis nach Kriegsende erhalten. So
faßte die Stadtvertretung am 14.3.1950 mit der knappen Mehrheit von
16 zu 15 Stimmen den entsprechenden Beschluß. Er besagte, daß der
Bau in einem straßenmäßig bisher nicht erschlossenen Gebiet, aber in
hervorragend geeigneter Lage in unmittelbarer Nähe der alten Stelle
errichtet werde, und zwar „im Gelände zwischen der Potthoff-, West-,
Bahnhof- und August-Bendler-Straße an der projektierten, nach Osten
verlängerten Luisenstraße“ (gemeint war die Augustastraße). Das
Richtfest für den ersten Bauabschnitt, der ein sechsklassiges,
pavillonartiges, zweigeschossiges Gebäude mit Nebenräumen umfaßte,
wurde am 13.6.1951 begangen; die feierliche Übergabe erfolgte am
9.1.1952. Die Gesamtkosten, also einschließlich Grundstückserwerb,
Anschlußleitungen usw., beliefen sich auf 457000 DM. – Der
Fortschritt war bedeutend: Nach zwei Wochen morgendlichem Unterricht
fand jetzt nur noch jede dritte Woche Nachmittagsunterricht statt.
Aber es kam noch besser. Der zweite Bauabschnitt, mit dem man am
1.8.1953 begonnen hatte, wurde am 5.11.1954 vollendet. Es entstand
(erneut) ein zweigeschossiger Bau, der durch einen überdachten
Verbindungsgang an den ersten angeschlossen war. Die architektonisch
gelungene Gesamtanlage umfaßte nunmehr 16 Klassenzimmer, ein
Rektorzimmer, zwei Lehrerzimmer, ein Lehrmittelzimmer, einen 240
Quadratmeter großen Gymnastik- und Feierraum, einen Dusch- und
Umkleideraum, zwei Werkräume, eine Lehrküche mit Eßraum und ein
Schülerlesezimmer. Beide Bauabschnitte zusammen kosteten ohne
Baugelände und Einrichtungen 780000 DM.
Am 5.11.1954, also zwei Tage vor dem Fest des heiligen Engelbert,
der zum Namensgeber für die neue Straße und das an ihr liegend
Schulgebäude wurde, fand die feierliche Einweihung der Schule statt.
Wie bei der Übergabe des ersten Bauabschnitts zwei Jahre zuvor waren
wieder Vertreter der Regierung, des Kreises, der Stadt, der
evangelischen Kirchengemeinde, der beteiligten Firmen usw.
erschienen, die sich zusammen mit Kreisschulrat Burkert, Pastor
Lüttecke, Rektor Christoph (1952) bzw. Rektor Kropp (1954), dem
Lehrerkollegium und der ganzen Gemeinde über das gelungene Werk
freuten und in ihren Ansprachen mit Lobesworten nicht sparten. Bald
darauf übernahm der aus Ratingen kommende Ferdinand Treimer
(1957–1979) die Leitung der Schule. Er führte auf freiwilliger Basis
schon 1965 – vor der gesetzlichen Regelung und vor allen anderen
Schulen – das 9. Schuljahr ein.
Im geschichtsträchtigen Gebäude (ab 1968)
Nach
den Ausquartierungen der Nachkriegszeit fühlten sich Lehrer und
Schüler in dem „prächtigen“ und „mustergültigen“ Gebäude an der
Engelbertstraße, das „eine der schulfreudigsten Gemeinden im weiten
Umkreis“ für diese mit 550 Schülern zeitweise größte Schule im
Ennepe-Ruhr-Kreis errichtet hatte, fast wie im Paradies.
Doch schon bald erfolgte die Vertreibung aus dem Paradies. Im Jahre
1966 kam es in Nordrhein-Westfalen zu einer großen Schulreform. An
Stelle der bisherigen achtjährigen Volksschulen wurden vierjährige
Grundschulen eingeführt, an die sich in drei Säulen die
Hauptschulen, die Realschulen und die Gymnasien anschlossen; dabei
konnten die Grund- und Hauptschulen auf Antrag konfessionell geführt
werden. In diesen Bekenntnisschulen sollten die Kinder im Geist
ihres Glaubens erzogen und unterrichtet werden; das bedeutete, daß
Religion in ihnen nicht nur ein Schulfach, sondern durchgehendes
Prinzip darstellt.
In Schwelm ging nun die frühere katholische Volksschule nahtlos in
die städtische katholische Grundschule über. Das hatte zur Folge,
daß die Schule das Gebäude an der Engelbertstraße nicht mehr
auslasten konnte, weil ja durch die Abtrennung der oberen vier
Jahrgänge auch die Schülerzahl fast halbiert wurde. Es mußte eine
neue Unterkunft gefunden werden. Dabei fiel die Entscheidung für das
Schulgebäude an der oberen Südstraße.
Bei diesem Quartier handelte es sich um einen unter Denkmalschutz
stehenden Bau, der auf eine lange Vergangenheit mit
unterschiedlichen Nutzern zurückblicken konnte und dementsprechend
oft umgestaltet worden war. Entstanden war er 1829/31 als Ersatzbau
für die beim Stadtbrand 1827 zerstörte Bürgerschule. – Ein erster
größerer Umbau erfolgte im Jahr 1876, als die Bürgerschule zur
Moltkestraße zog; so konnte das Gebäude vorübergehend, wie
dargelegt, als Notquartier für eine katholische Schulklasse (sowie
zwei evangelische Klassen) dienen. – In der Folge beherbergte es die
höhere Töchterschule, die seit 1881 städtische Anstalt geworden war.
Ein erneuter Umbau 1905 hatte zum Ziel, auf Kosten der Wohnräume
zusätzlichen Platz für schulische Zwecke zu schaffen. Eine weitere
Umgestaltung fand nach den Plänen des Stadtbaumeisters Bußmann im
Jahre 1911 mit einem Kostenaufwand von 40000 Mark statt. Diese war
in jeder Beziehung so grundlegend, daß man am 19.9. sogar eine
besondere Einweihungsfeier veranstaltete, bei der Dr. Hasenclever,
der damalige Direktor der höheren Töchterschule, die Festrede hielt.
In bewegenden Ausführungen ging er dabei sowohl auf die
Zweckmäßigkeit der nunmehr erreichten inneren Ausgestaltung des
Gebäudes wie auch auf dessen von bergischen Stilelementen geprägtes
äußeres Erscheinungsbild ein.
Als dann im Jahre 1932 die Vereinigung von Realgymnasium und Lyzeum
(seit 1912 trug die höhere Töchterschule diese Bezeichnung) erfolgt
war und letzteres zur Präsidentenstraße übersiedelte, stand das
Gebäude für anderweitige Nutzung zur Verfügung: Von 1932 bis 1959
war die Berufsschule in ihm untergebracht. – Anschließend wurde die
sechsklassige Frauenoberschule, die an die Stelle des Lyzeums
getreten war und den neuen Namen seit 1950 führte, zur Südstraße
ausquartiert. Sie verblieb dort, bis sie nach der Errichtung eines
gymnasialen Erweiterungsbaus im Jahr 1967 wieder zur
Präsidentenstraße zurückkehren konnte. – Zwischendurch nahm das
Gebäude noch von 1961, dem Gründungsjahr der
Dietrich-Bonhoeffer-Realschule, bis 1963, als sie den Neubau am
Ländchenweg bezog, deren Eingangsklassen auf. – Schließlich diente
ein Teil der Klassenräume während der Zeit vom Herbst 1975 bis
Frühjahr 1977, als der zweite Erweiterungsbau des Gymnasiums
errichtet wurde, für die Schüler der Klassen 6 und 7 als
Ausweichquartier. – Heute wird es in den Nachmittags- und
Abendstunden für verschiedenartige Veranstaltungen genutzt; außerdem
fungiert es bei politischen Wahlen als Wahllokal.
In diesem geschichtsträchtigen Gebäude ist also die katholische
Schule seit 1966 bis zum heutigen Tage untergebracht. Zu erwähnen
ist allerdings noch eine kurzzeitige Auslagerung: Ab dem 1.8.1971
mußte sie für einige Zeit in die Schule an der Potthoffstraße
ausweichen; diese war infolge des Umzuges in die neuerbaute
Weststadtschule freigeworden. Die Stadtvertretung hatte nämlich
beschlossen, daß die Sonderschule für Lernbehinderte
(Pestalozzischule) wegen ihrer großen Raumnot das Südstraßengebäude
nutzen sollte. Derzeit werden in der Schule ca. 170 Schüler in acht
Klassen unterrichtet; zwei Klassenräume befinden sich im
Nebengebäude, der früheren Lehrküche. Des weiteren sind außer der
Aula ein Computerraum, ein Musikraum, ein Lehrer- und ein
Rektorzimmer vorhanden. Die Leitung der Schule liegt seit 2001
kommissarisch in den Händen eines aus drei Lehrpersonen bestehenden
Teams.
Epilog
Einschließlich der NS-bedingten kurzen Auflösungsperiode blickt die
Schule heute auf eine von vielen Höhen und Tiefen begleitete
323jährige Geschichte zurück. Wer wollte nun zählen, wie viele
Hunderte von Lehrern und Lehrerinnen wie viele Tausende von Schülern
und Schülerinnen in dieser langen Zeit unter höchst
unterschiedlichen äußeren Gegebenheiten und mit sehr
verschiedenartigen methodischen Grundsätzen erzogen und
unterrichteten? Und wer könnte sich vorstellen, wieviel Gelingen und
Mißlingen und auch wieviel Frohsinn und Enttäuschung im täglichen
Miteinander auf beiden Seiten erlebt und erlitten wurden?
Anmerkungen:
1 Das Röllinghofsche Haus stand südöstlich der heutigen Ecke
Hauptstraße/Drosselstraße an der Stelle, an der sich 1888–1913 das (3.)
Schwelmer Rathaus befand.
2 Friedrich Hieronymus wohnte „Im Sacke“, einer laut Urkataster des
Jahres 1826 vom Markt ausgehenden und nördlich der lutherischen
Kirche vorbeiführenden Gasse. Im „Hermann“, der „Zeitschrift für die
Lande zwischen Weser und Maas“, hatte er am 27.9.1827
bekanntgegeben, daß er trotz des eingetretenen Brandschadens seine
Gastwirtschaft und Bäckerei fortzuführen gedenke. Notgedrungen mußte
er dies zunächst in der Cölnischen Straße tun; doch ist wegen der im
Text für das Jahr 1828 erwähnten Kegelbahn von einer alsbald
erfolgten Wiederinbetriebnahme seiner früheren Wirtschaftsgebäude
auszugehen.
3 Das Haus „Im Rocholl“ stand auf dem Grundstück des heutigen Gebäudes
Kölner Straße 58.
4 Vgl. hierzu den S. 4 zitierten Hinweis Hasenclevers auf die Methode
der Lehrerbestallung.
Anhang
Rektoren der Schule:
Peter Faßbender 1898–1931
Alexander Scholz 1932–1939
? Christoph 1947/48–1953
Peter Kropp 1953–1956
Ferdinand Treimer 1957–1979
Franz Niebling 1979–1985
Peter Moesle 1985–1995
Walburga Posch 1996–2001
Kommissarische Leitung im Team ab 2001